Sich selbst zu beschreiben ist seltsam. Mir fällt wenig ein, von dem ich denke, dass andere es unbedingt über mich wissen müssten. Diese 0815-Lebenslauf-Eckdaten gehören in jedem Fall nicht dazu. Ich mag auch gar nicht entscheiden, was Sie und Euch interessieren könnte. Ich halte mich nicht für besonders spannend. Darum habe ich überlegt, hier ein paar ausführlichere Antworten auf die Fragen zu ergänzen, die mir nach Lesungen – insbesondere von Schüler*innen – immer wieder gestellt werden. Vielleicht ist das für uns alle sinnvoller. ^^
Wie bist Du zum Schreiben gekommen?
Ich habe schon früh viel gelesen. Ich glaube, ich besaß eine Handvoll Erstlese-Bücher, danach habe ich alles von Enid Blyton verschlungen. Es folgten Astrid Lindgren und Michael Ende, Angela Sommer-Bodenburg und ihr kleiner Vampir, viele typische Mädchenbücher wie die von Brigitte Blobel, und natürlich Pferdegeschichten. Im elterlichen Regal fand ich alte Sagen und Legenden, Märchen, wie die aus tausendundeiner Nacht, danach blieb mir nur der Weg in die Bibliothek.
Dort entdecke ich Wolfgang Hohlbein – und ich glaube, besonders seine Bücher waren es, die mich letztendlich zum Schreiben animierten. Märchenmond, Midgard und Drachenfeuer öffneten Türen, die ich bis heute nicht wieder schließen konnte. Danach fraß ich mich wie eine Raupe quer durch die komplette Bibliothek und landete mit elf, zwölf Jahren bei Stephen King. Ich erinnere mich, ich musste einen von meinen Eltern unterschriebenen Zettel mitbringen, der an meine Karteikarte geheftet wurde, und der mir erlaubte, seine Romane überhaupt auszuleihen. Oh, wie habe ich seine Bücher geliebt!
Aber irgendwann hatte ich die Bibliothek durch und fand nichts mehr, was mich noch faszinierte. Tja, und was blieb mir dann übrig, als selbst das zu schreiben, was ich gern gelesen hätte?
Und wie bist Du dann Schriftstellerin geworden?
Auch wenn es die Klischee-Antwort schlechthin ist – geschrieben habe ich tatsächlich schon immer.
Heimlich, erst knappe, 5-Freunde-ähnliche Abenteuer-Szenen auf die letzten Seiten meiner Grundschulhefte. Später wurden daraus kurze Episoden über Elfen, Drachen oder unheimliche Schatten. Ich erinnere mich dunkel an zum Schreien schlechte Gedichte, die ich als Teenie verbrochen habe.
Doch ich habe mich nie getraut, irgendwem irgendetwas davon zu zeigen. Das gehörte mir allein, und niemand sollte es mit „echten Büchern“ vergleichen können. Niemand sollte mir diesbezüglich sagen können: „Du kannst das nicht“.
Erst der unfassbare Zuspruch, den ich während der Unterrichtsreihe „Kreatives Schreiben“ in der Berufsschule auf meine Texte und insbesondere den ersten Romanversuch erhielt (für immer danke! – insbesondere an Claudia, Sonja & Ilka! ♥), ermutigte mich, meine Texte mit anderen zu teilen. Eine Zeitlang schrieb ich Geschichten zusammen mit Freund:innen in geschützten Bereichen des Internets. Irgendwann traute ich mich in fremde Gefilde vor und veröffentlichte auch andernorts kurze Geschichten.
Doch ohne Tanja, meine erste Lektorin, die mich durch eben diese Texte entdeckte, und die mir Mut zusprach, auch an echte Veröffentlichungen zu denken, wäre es vielleicht für immer dabei geblieben. Sie, eine mir damals völlig Fremde, schaffte es mit ihrem unfassbaren Textverständnis mein ständiges Zweifeln und Hinterfragen zumindest ab und an zum Schweigen zu bringen. Sie überzeugte mich, dass mein heimlicher Traum, irgendwann Schriftstellerin zu sein, mehr als nur ein albernes Hirngespinst sein durfte. Doch sie machte mir auch klar, dass ich es würde versuchen müssen. Ohne meine Komfortzone zu verlassen, würde es nicht gehen.
Mit ihr an meiner Seite traute ich mich, Texte bei kleineren Ausschreibungen einzureichen und dadurch erste Einblicke in verschiedene Ecken der Verlagswelt zu erhalten.
Ich wagte mich auf die Bühne. Und auch wenn ich definitiv niemals eine Rampensau werde, stellte ich fest: ich lese gern vor.
Als 2018 mein erstes ganz eigenes Buch, die Kurzgeschichtensammlung „Das Fehlen des Flüsterns im Wind“ im Hamburger acabus-Verlag erschien, hatte ich glaube ich erstmals das Gefühl, ich lüge nicht, wenn ich sage: „Ich bin Schriftstellerin“.
Und trotzdem, in den Phasen, in denen der Alltag mich so sehr in Beschlag nimmt, dass ich kaum Zeit zu Schreiben finde, oder während Corona, als plötzlich alle Autorentreffen und Lesungen wegbrachen, da frage ich mich immer noch: „Bin ich das wirklich? Bin ich Schriftstellerin?“ Und ich muss mich oft zwingen „JA!“ zu sagen, insbesondere wenn sich plötzlich alles wieder so weit weg anfühlt. Es ist leichter, seit ich nur noch von Zuhause arbeite und mir immer mehr Zeit für das Schreiben einräumen kann.
Bin ich also Schriftstellerin? Ich denke schon. Vielleicht kann ich mit klarer, lauter Stimme „Ja!“ sagen, wenn die Romanreihe irgendwann veröffentlicht wird.
Ich befinde mich auf einem Weg. Aktuell arbeite ich daran, eines meiner Romanprojekte wahrzumachen. Im letzten Jahr habe ich den ersten Band meines mehrteiligen Fantasy-Königsdramas mit dem Arbeitstitel „Fate of Time“ beendet. Mindestens zwei weitere Bände sollen folgen. Und im Anschluss wartet eine ganze Schublade an Ideen und angefangenen Projekten darauf, umgesetzt zu werden. Der Weg ist also noch lange nicht vorbei.
Worüber schreibst Du am liebsten?
Ich schreibe, was mich bewegt.
Ich habe früher immer pauschal gesagt: „Ich schreibe Fantasy“. Wenn ich mir meine Projektschublade näher ansehe, stimmt das weitestgehend. Dort tummeln sich vor allem Geschichten aus der High- und Urban-Fantasy, aber auch zwei dystopische All-Age-Geschichten und ein gänzlich un-phantastisches Jugendbuch.
Meine Kurzgeschichten stammen aus den eher düsteren Winkeln der Phantastik. Einige sind der SciFi zuzuordnen, andere gehören mehr zur Kategorie der Grusel- oder Mysterygeschichten. Es ist fast alles dabei. Gemeinsam haben sie, dass sie meist ruhig erzählt sind und ihnen eine etwas traurige oder melancholische Grundstimmung innewohnt.
Ich mag es, wenn man über den Inhalt nachdenken muss und eine Geschichte auch beim wiederholten Lesen noch Offenbarungen bereithält. Das gelingt mir natürlich auch nicht immer, aber wenn, dann macht es mich glücklich ^_^
Im Laufe der Zeit ist mir dieser letzte Punkt immer wichtiger geworden. Daher habe ich viele alte Schreibideen, die „nur Fantasy-Geschichten“ waren, im Geiste ad acta gelegt. Um mich zu faszinieren, muss eine Geschichte einfach „mehr“ enthalten. Ja, sie soll spannend und ein Abenteuer sein, aber dem Leser trotzdem etwas geben, was er auch noch mit sich trägt, wenn er das Buch bereits zugeschlagen hat.
Warum Phantastik?
Märchen & Sagen, Fantasy & Science-Fiction – phantastische Welten haben mich seit jeher fasziniert.
Eins meiner ersten Bilderbücher als Kind war Annegert Fuchshubers „Fidibus“, eine Geschichte, die mit einer leeren, weißen Seite und einem Ei beginnt. Aus diesem schlüpft Fidibus, der sich seine Welt zeichnet, in der er dann aufregende Abenteuer erlebt. Ich liebe dieses Buch bis heute. Vielleicht wusste ich schon damals, dass ich irgendwann wie Fidibus sein will; ich möchte meine eigene Welt zeichnen. Und das erlaubt mir die Phantastik.
Die Phantastik ist so grenzenlos wie meine Phantasie. Sie lässt mir alle Freiheiten. Meine Welt kann gut oder schlecht, bunt oder dunkel, trist oder lebendig sein. Sie kann sich an unserer orientieren oder völlig abgedrehte Dinge enthalten. Sie dürfte sogar unlogisch sein, wenn ich es denn wollte.
Natürlich kann die Phantastik – wie ihr so gern vorgeworfen wird – rein der Realitätsflucht dienen. Warum auch nicht? Doch macht man es sich mit dieser Sichtweise glaube ich viel zu leicht. Für mich ist die Phantastik eigentlich das genaue Gegenteil: Sie ist ein Spiegel, vielleicht sogar ein Brennglas der Wirklichkeit.
Sie kann beflügeln und all die Wunder, die unsere Welt bereithält und die wir vielleicht für selbstverständlich halten, in den Fokus rücken und neu erwecken.
Ist es nicht phantastisch, dass sich eine Raupe verpuppen und in einen Schmetterling verwandeln kann? Ist es nicht phantastisch, was die Kräfte der Natur Tag für Tag erschaffen?
Im Hier und Jetzt gehe ich an diesen Dingen vorüber und nehme sie kaum wahr. Aber wenn eine Geschichte mich in einen verwunschenen Wald führt, in der vielleicht ein Volk Schmetterlingsmenschen lebt, dann rückt diese Verschiebung die Realität in ein neues Licht. Sie schafft ein anderes Bewusstsein für meine Wahrnehmung – und dafür liebe ich sie.
Gleichzeitig kann sie mich z.B. durch Vereinfachung oder Übertreibung oder simples Was-wäre-wenn über die Gegenwart nachdenken lassen. Wenn ich die Welt in Schwarz und Weiß male, wird das, was uns oft Grau erscheint, viel klarer. Ich sehe deutlicher, wovor ich in der Wirklichkeit gern die Augen verschließe. Die Phantastik kann die Wahrheit ans Licht zerren. Und was in einem Märchen verklärt und zauberhaft zu sein scheint, wirkt im grellen Scheinwerferlicht der Realität plötzlich ganz schön hässlich.
Sie kann unbequeme Wahrheiten aufdecken, Wunder hervorheben, reale Probleme darstellen. Sie kann Verzaubern, zum Lachen und Weinen und Träumen anregen. Die Welt wäre um so vieles ärmer ohne sie.
Wann kommt Dein Buch raus?
Hey, es ist längst da! ^_^ Meine Kurzgeschichtensammlung „Das Fehlen des Flüsterns im Wind“ ist seit 2018 überall dort erhältlich, wo es Bücher gibt.
Seit Ende letzten Jahres (2022) liegt mir der erste Teil meines aktuellen Lieblingsprojektes fertig vor. Ursprünglich wollte ich noch den zweiten Band fertig schreiben, ehe ich mich auf Verlagssuche begebe, aber … die Dinge haben sich verändert. Sobald es mehr zu erzählen gibt, werde ich es verraten. Es kommt in jedem Fall mehr von mir! ^_^
Sehe ich Dich auf der Messe?
Das kommt darauf an. Gib mir einen Grund, da zu sein, dann bin ich natürlich dabei. Aber einfach nur aus „Spaß“ … wohl eher nicht.
Auch wenn mir das keiner glaubt, der mich gut kennt: Fremde Menschen überfordern mich. Ich brauche eine Weile, um mit anderen warm zu werden. Ich weiß nie, was ich sagen soll und beim Versuch, nicht nur zu schweigen, sage ich oft – wie ich finde – den totalen Blödsinn, der mich nicht selten in tiefe Sinnkrisen stürzt. Ich kann noch heute dutzende Situationen von vor Jahren benennen, bei denen ich mich frage „Wieso zum Geier hast Du das damals gesagt?!“.
Außerdem fühle ich mich in großen Menschenmengen nicht wohl.
Darum – wenn ich einen Termin oder eine Lesung habe, dann bin ich natürlich da. Vor allem wenn ich weiß, es sind Menschen in der Nähe, die ich kenne und bei denen ich mich zurückziehen kann.
Warum liest Du nie in xyz (z.B. München)?
Wenn mich jemand einlädt und die Kosten übernimmt – jederzeit. Aber in der derzeitigen Situation muss ich da leider erstmal passen. Dennoch – das Interesse ehrt mich wirklich! Danke ^_^
Was sind Deine Lieblingsbücher?
Dan Simmons – Hyperion & Endymion (Die beste Space-Opera ♥ Habe ich hier und hier rezensiert, falls jemanden meine Meinung interessiert)
Tad Williams – Das Verhängnis der Schwerter (hier)
Patrick Rothfuss – Kingkiller Chronicles (hier)
Außerdem fand ich Harry Potter einfach großartig, habe als Kind gern Michael Ende und Astrid Lindgren gelesen und hatte bereits mit 13 alles von Stephen King „durch“.
Ich liebe die Geschichte und die Welt des „Herrn der Ringe“, obwohl ich die Bücher selbst nicht wirklich mochte, habe mit Fitz und dem Narren in Robin Hobbs Weitseher Chroniken mitgefiebert und kehre immer wieder gern zu Lynn Flewellings Schattengilde nach Scala zurück.
Neben der mehr unterhaltenden Fantasy lese ich mit Vorliebe ernsthaftere, die Moral und Ethik hinterfragende Science Fiction z.B. von Margaret Atwood, Kazuo Ishiguro oder Cormac McCarthy. Ebenfalls sehr empfehlen kann ich die Kurzgeschichten von Ursula K. LeGuin und Ted Chiang.
Kann man vom Schreiben leben?
Kaum. Schaut man sich die Statistiken an, können laut Ver.di gerade mal 5,7% der deutschen Schriftsteller*innen vom Schreiben leben, nur 2,3% ohne Existenznot.
Wer vom Schreiben auskömmlich leben möchte, ist gezwungen, eine große Menge Bücher im Jahr zu veröffentlichen. Wenn einige davon auf den Bestsellerlisten landen, dann kommen wir vermutlich in die gewünschte Richtung. Ich bin davon also einen großen Schritt entfernt; mit bislang nur einem veröffentlichten Buch kommt man nicht weit. Ein weiteres – großes – Problem ist, dass von wenig bekannten Künstlern gern erwartet wird, diverse Leistungen wie z.B. Lesungen umsonst anzubieten. „Ist ja Werbung“ … All das führt dazu, dass man sich so durchschlägt und sich das Autorinnenleben gerade am Anfang mehr wie ein Hobby mit kleinen Aufwandsentschädigungen anfühlt. Ich hoffe, die Veröffentlichung der Romanreihe wird das langsam ändern können.
Wenn Ihr mich unterstützen möchtet, könnt Ihr das z.B. über Ko-fi gerne tun!
Das waren natürlich längst nicht alle Fragen, aber die, die mir spontan eingefallen sind. Wenn Ihr etwas ergänzt haben wollt: schreibt mir!