Dass ich diesen Beitrag vor zwei Jahren begonnen, im letzten Jahr aktualisiert, und bis heute nicht beendet habe, sagt vermutlich alles. Aber sei es drum.
Es ist Autor*innen-Sonntag auf Social Media – bzw., war es am Sonntag. Und den Sonntag davor und an dem davor und … ich denke, das Prinzip ist klar.
Ich mag diese Challenge, ich lese die meisten Beiträge, die unter diesem Hashtag entstehen und irgendwo an meiner Pinnwand landen, sehr gerne. Es ist eine Challenge, die die teilnehmenden Autor*innen einmal in der Woche dazu bringt, sich mit der Community sowie dem eigenen Schreiben auseinanderzusetzen, und gleichzeitig auch dem geneigten Leser etwas über das aktuelle kreative Schaffen zu erzählen. Die Themen sind vielfältig und bunt gemischt, es war bisher wenig dabei, was mich nicht interessiert hätte. Und nahezu jeden Sonntag frage ich mich, warum mache ich nicht einfach mit? Einmal die Woche ein paar Zeilen über das Schreiben tippen – ist doch easy? Das sind auch meine Themen, ich kann dazu etwas beitragen! Und es wäre perfekt, um wenigstens einmal in der Woche sichtbaren Content zu kreieren.
Aber.
Egal, zu welchem Thema ich etwas anfange, es existiert immer ein Aber.
Zuerst scheint es ganz leicht, einem kosmischen Nichts oder einem virtuellen Jemand von den eigenen Gedanken zu erzählen. Aber irgendwann taucht immer wieder die Frage auf: Wen interessiert das überhaupt? Klar, Freunde und Bekannte vielleicht. Mit viel Glück eine Handvoll „echte“ Leser*innen. Wobei – wie ist das bei mir selbst als Lesende? Lese ich etwas über den Alltag meiner Lieblingsautor*innen? Nein, eigentlich nicht. Mich interessiert das nächste Buch, selten ein bisschen Background, aber wenn auch nur punktuell, nicht generell. Andere „befreundete“ Autor*innen? Das schon eher. Natürlich interessiert es mich, was zB. meine Verlagskolleg*innen oder die Autor*innen meiner Schreibgruppe so treiben. Aber je nachdem was und wie – ertrage ich den vielen Input auch gleichzeitig nicht.
Es ist zu viel. Und ich bin nicht in der Lage, mich nur oberflächlich damit zu beschäftigen. Alles dringt in mich ein und fordert meine volle Aufmerksamkeit, Zeit, Interesse, Gedanken. Ich lese Beiträge und Kommentare. Nicke in Gedanken, beginne einen Kommentar, breche ab, lasse es bleiben. Tippe selbst Beiträge und lösche sie wieder. Und stehe immer wieder vor der Frage, warum andere scheinbar spielend schaffen, wozu ich nicht in der Lage zu sein scheine. Einfach unverkrampft bei so etwas mitzumachen. Online-Kontakte pflegen. Und wenn wir schon dabei sind – ein neues Buch schreiben. Dort erscheint schon das zweite im Jahr, während ich zwei Jahre Zeit für ein halbes brauche.
All das prasselt auf mich ein und ich kann dem auch gegen besseres Wissen einfach nicht entkommen. Ich verschwende viel zu viel Zeit und zu viel Emotionalität an diese Dinge. Das, was locker, leicht und unterhaltsam sein sollte, ist es für mich nicht. Jeder Social-Media-Post ist für mich unfassbar anstrengend. Schreib ich zu viel, zu wenig? Klingt das zu unterkühlt? Oder werde ich albern? Versteht außer engen Freunden jetzt noch jemand, was ich sagen möchte oder wie das gemeint ist?
Jemand hat mich erwähnt! Wie bedanke ich mich richtig, wie revanchiere ich mich, ohne dass es aussieht, als fühlte ich mich dazu verpflichtet?
Ein Kommentar! Antworte ich darauf? Und wie? Sag ich nur danke? Ist das zu wenig? Wie formuliere ich meine Antwort, damit es weder aufdringlich klingt, noch so, als wäre es mir egal?
Es ist einfach so unfassbar anstrengend. Alles ist anstrengend. Und ich würde es so gerne auch können. Locker, flockig, zwei, drei Sätze tippen, nette Worte an oder über jene, die ich mag oder die ihre Zeilen auch mit mir teilen. Ganz zwanglos das Buch einer/s Bekannten empfehlen. Aber ich kanns einfach nicht. Für mich ist das alles ein riesiger Krampf.
Ich bin einfach nicht Social Media tauglich. Nicht, weil ich nicht „social“ wäre, ich bin nur … ich weiß es nicht.
Ich habe das Gefühl, dass ich überwiegend in meinem Kopf und in meinen Gedanken lebe. Kommunikation mit der Außenwelt fällt mir – abgesehen von Menschen, die mir Nahe stehen, – unfassbar schwer. Und was ist Social Media wenn nicht Kommunikation? Ich fühle mich dumm, wenn ich mit anderen kommuniziere. Fühle mich entweder zu zögerlich oder zu forsch. Immer verkrampft, nie einfach ich.
Sogar über so simple Dinge wie die aktuelle Schnipselchallenge mache ich mir zu viele Gedanken. Ich meine – sie ist toll! Es ist ein bisschen Werbung, ja, aber irgendwie hübsch verpackt, ohne „kauft dieses Buch“! Oder nicht? Aber ist es nicht trotzdem zu aufdringlich, jeden Tag etwas rauszuhauen? Und – wen interessierte das nochmal? Wieso sieht mich denn keiner? Was bedeutet der Lachsmiley? Und wieso denke ich schon wieder eine Stunde lang über einen zwei Zeilen langen Begleittext nach?
Uff.
Also, so ungefähr sieht es in meinem Kopf aus.
Deshalb habe ich Deinen Kommentar vielleicht blöd beantwortet. Zu knapp oder zu überschwänglich. Oder gar nicht. Deswegen kann ich leider keine Werbung für Dein Buch machen; es würde nämlich ungefähr eine Woche lang meine gesamten geistigen und emotionalen Ressourcen binden und mich auch im Erfolgsfall nachhaltig beschäftigen. Das heißt aber nicht, dass Du und Dein Buch mir egal sind. Dass es mir nicht gefällt oder dass ich es nicht zu schätzen wüsste, wenn Du so etwas für mich getan hast.
Und um mich nicht ständig mit meinem eigenen Unvermögen zu konfrontieren, deshalb schreibe ich auch nichts zum Autor*innen Sonntag. Also, vielleicht doch. In Gedanken. Oder hier, für mich, ohne den Veröffentlichen-Button zu drücken. Ohne, dass es je jemand zu Gesicht bekommt.
Ich habe erst neulich (bei fantasyplanet) ein Zitat von Jean Luc Godard gelesen: „Manchmal ist die Realität zu komplex. Geschichten geben ihr eine Form.“
Diese Worte haben mich sofort angesprochen und ich konnte sie für mich selbst als Wahrheit annehmen.
Denn – wie ich schon einmal schrieb – manchmal habe ich das Gefühl, nicht einmal selbst zu wissen, was ich denke, ehe ich es nicht aufgeschrieben und auf dem Papier gesehen habe. Oft herrscht in mir nichts als ein großes Durcheinander, ein Knäuel aus Gedanken und Gefühlen, das zu ordnen mit ausgesprochenen Worten nicht möglich ist, weil man immer wieder einen Schritt zurückgehen muss, um noch etwas zu ergänzen, was sich erst bei genauerer Betrachtung bzw. Entwirrung des Knäuels ergeben hat. Manchmal fühlt es sich an, als schriebe ich tatsächlich, um mit der Außenwelt zu kommunizieren. Um Welten zu schaffen, in denen ich leben kann, in denen mir das Sprechen leicht fällt. Um Dinge zu sagen, für die ich in der Realität ad hoc keine Worte finde. Denn manchmal lässt sich schon ein einziger Satz, ein kurzer Gedanke oder ein scheinbar schlichtes Gefühl nicht anders ausdrücken als in einer Geschichte.
Danke, liebe Miriam, ganz großes Danke für diesen sehr tiefgehenden Einblick in deine Gedanken. In das Gewusel in deinem Kopf. Kennst du den Begriff „Wollkotze“? Das ist ein Synonym für ein völlig zerknüddeltes, verknotetes Wollknäuel. Es dauert lange, ein solches zu entwirren und die meisten (ich gehöre dazu) geben nach einiger Zeit auf und werfen es entnervt in die Ecke oder schneiden einfach die Knoten raus. Eine Freundin aber ist unfassbar geduldig, sie hat immer alle unsere Wollkotze-Knäule entwirrt. Es hat ihr Spaß gemacht. Ich war froh, dass sie das getan hat. Vielleicht ist in deinen Gedanken auch ganz viel Wollkotze und es gibt Freund:innen, die dir das Entwirren abnehmen können. Vielleicht ist das das Ziel und gar nicht, selbst alles zu entwirren?
Ich kann dich jetzt besser verstehen und mag dich mit all den Knoten und Schlaufen im Kopf :-) Ich bin selbst ungeduldig, aber beim Lösen kleinerer Knubbel kann ich manchmal vielleicht sogar helfen.
Ganz liebe Grüße
Sandra
Danke für diesen lieben Kommentar! ♥
Wollkotze habe ich noch nie gehört – aber der Begriff ist super :D Allerdings weiß auch nicht, ob das das Gleiche ist. In jedem Fall können wir sehr gern mal reden! Ich danke Dir!