Perfekte Sätze & ADHS

Perfekte Sätze gibt es nicht. Zumindest kann nicht jeder einzelne Satz in 600 Seiten perfekt sein.

Das hab ich selbst so gesagt, und Sandra, wunderbare Buch- und Comicbloggerin sowie Podcasterin, die ich fantastischerweise auch meine Testleserin nennen darf, meinte, ich solle mir das aufschreiben.

Das hab ich hiermit getan und hoffe, ich kann mich ab und an daran erinnern. Wobei ich das ja grundsätzlich weiß. Aber wissen und wissen sind halt manchmal auch zwei unterschiedliche Dinge.


Wir kamen auf Instagram darauf zu sprechen. Aktuell läuft bei den Illustrator*innen der #inktober, den Sandra in die #inktoberbooks verwandelte, woraus ich für mich #inktoberquotes machte, um mal wieder ein paar schreibrelevante Dinge zu posten. Insta mag diese Textschnipsel allerdings überhaupt nicht. Die Reichweite ist sofort im Keller. Egal.
Um nicht lediglich irgendeinen Satz zu posten, versuche ich meist noch irgendetwas dazu zu schreiben. Daher habe ich anhand eines Beispiels gezeigt, wie furchtbar sehr ich manchmal mit mir bzw. einer Formulierung ringe. Dies war der Post:

Inktober-Quote zum The "Entfernt"

Mit dem Inktober-Zitat zum Thema „Entfernt“, kann ich Euch einen kleinen Einblick in meinen Schreib- bzw. Denkprozess gewähren:

„Die Halle schien immer größer zu werden. Mit jedem Schritt, den die beiden sich von mir entfernten, wurde ich kleiner.“

Der Satz stammt aus meinem WiP „Fate of Time“ und ist daher wie immer ohne Gewähr. Er lautete ursprünglich:

„Die Halle schien immer größer zu werden. Jedenfalls fühlte ich mich mit jedem Schritt, den die beiden sich von mir entfernten, kleiner.“

Das „Jedenfalls“ hat mich verrückt gemacht. Es klang so umgangssprachlich. Als sei ich zu faul gewesen, den Kausalzusammenhang zwischen beiden Sätzen vernünftig zu erläutern. Dabei ist er doch völlig einleuchtend. (Denke ich.)
„Zumindest“ als Synonym hat es auch nicht besser gemacht. Also habe ich mich irgendwann entschieden, das Wort „Jedenfalls“ einfach zu löschen:

„Die Halle schien immer größer zu werden. Ich fühlte mich mit jedem Schritt, den die beiden sich von mir entfernten, kleiner.“

Das klang dann irgendwie gewöhnungsbedürftig. Und mit „schien“ und „fühlte“ in direkter Folge so vage. Also habe ich „fühlen“ entfernt und fand den Satz dann plötzlich doppelt so eindringlich.

„Die Halle schien immer größer zu werden. Mit jedem Schritt, den die beiden sich von mir entfernten, wurde ich kleiner.“

So richtig glücklich bin ich mit dem „wurde“ auch nicht. Passiv und so. Aber es durch sowas wie „schrumpfte ich in mich zusammen“ zu ersetzen, fühlt sich … falsch an. Ich mag klare Sprache. Außerdem ist Lex am Ende ja auch kein in sich zusammengesunkenes Häuflein Elend.

Vielleicht erklärt das, warum ich nicht am NaNoWriMo teilnehme. Oder warum ich wohl niemals zur Autor*innen Gruppe „3 Bücher pro Jahr“ gehören werde. ^^‘


Also, ja. Ich weiß selbst, dass man es auch übertreiben kann mit dem Zerdenken. ^^‘ So richtig aus meiner Haut kann ich trotzdem nicht. Ich habs schon mal gesagt – Schreiben und Tippen sind für mich zwei verschiedene Dinge. Es geht mir nicht darum, möglichst schnell möglichst viel Text aufs Blatt bringen. Das, was da steht, muss mir gefallen, sonst kann ich es gleich lassen. Ich muss das Gefühl haben, dass es sinnvoll ist, ansprechend. Und eben nicht nur „einfach irgendwie in die Tastatur gehämmert“. Für mich brauchen Sätze eine Melodie, die zu den Sätzen davor und denen danach passt. Der Text muss fließen, ein stimmiges Ganzes ergeben. Wenn er mir schon nicht gefällt, wie kann ich erwarten, dass er anderen gefällt?

Ich bin mittlerweile besser darin geworden „Dinge erstmal so zu lassen“. Da ginge deutlich mehr, aber … ein Schritt ist ein Schritt.
Dazu kommt, dass ich mittlerweile mehr und mehr lerne, woher gewisse Denkmuster kommen.

Seit zwei Monaten weiß ich, ich habe ADHS.
Eine Diagnose ist noch keine Therapie, aber allein das Wissen hilft mir seitdem, manchmal ein bisschen netter zu mir zu sein. Und bestimmte Verhaltensweisen zu verstehen.
Am wichtigsten ist für mich die Erkenntnis, dass ich eben nicht einfach faul und disziplinlos bin. Dass es Ursachen hat, weshalb ich für andere alles das meiste superpünktlich erledigen kann, aber oft überhaupt nicht vom Fleck komme, wenn ich eine Sache nur für mich erledigen will. Weshalb ich prima 50 Romananfänge schreiben kann, aber jedes Mal das Interesse verliere, sobald sich herauskristallisiert, wie die Geschichte ausgeht. Woher die tausend Stimmen und Gedanken in meinem Kopf kommen, die alle durcheinanderreden und es mir manchmal unmöglich machen, mich zu konzentrieren. Oder warum mich – im Gegensatz dazu – eine Recherche plötzlich so fasziniert, dass ich erst Stunden später merke, dass ich mich festgelesen habe.
Ich habe heute tatsächlich Hoffnung, dass sich dagegen etwas tun lässt. Dass mit Therapie und/oder Medikation vieles einfacher wird.
Gleichzeitig setze ich auch etwas Hoffnung auf eine Zusammenarbeit mit einer Agentur oder einem Verlag. Echte Deadlines sind super. Unter Druck und mit echtem Ziel schaffe ich in der Regel alles. Es darf eben nur nicht nur für mich sein …

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