Mit „Die Siebte Sage“ schob mir meine Tante ein äußerst intelligentes Jugendbuch unter, das vom Leben zweier Völker mit unterschiedlichen Religionen im selben Land handelt, und somit auch aktuell von Bedeutung ist.
Als das Geheimnis des bardischen Hirtenmädchens Dshirah enttarnt wird, und die sechs Zehen an ihren Füßen entdeckt werden, bleibt ihr nur die Flucht. Denn ihr Geburtsmerkmal macht sie möglicherweise zum prophezeiten Dschinnu, das nach sieben Nächten im Luxus des Kalifenpalastes die verlorene Siebte Sage ihres Volkes erzählen muss, um einen fortdauernden Konflikt zwischen Barden und den herrschenden Araminen zu schlichten. Andernfalls würden sie und ihre Familie mit dem Tode bestraft.
Als das Unausweichliche näher rückt, begibt Dshirah sich gemeinsam mit ihrem Bruder Januão auf eine abenteuerliche Suche in den Palästen. Sie lesen in Mosaiken, durchstreifen Keller, Kerker und Bäder und decken nach und nach die Wahrheit über die Vergangenheit der beiden Völker auf.
Diese wunderbare Geschichte ist gleichermaßen spannend wie poetisch. Die bildhafte Sprache bezaubert und zieht den Leser schnell ganz tief in die orientalische Welt hinein, die auf der einen Seite so unendlich viel Schönheit zu bieten hat, auf der anderen Seite viele düstere Geheimnisse verbirgt.
Das Besondere: Es existieren kein Schwarz oder Weiß, kein eindeutig gutes oder schlechtes Volk, und nicht jede Grausamkeit entpuppt sich auch auf den zweiten Blick noch als solche. Die Geschichte ist facettenreich und weitestgehend unvorhersehbar, sie bietet philosophische Parabeln, stellt sich klar gegen Rassismus und bietet neben der poetischen Reise mit kniffligen Rätseln auch Einblicke in tiefe völkerübergreifende Freundschaften, die allein durch Vertrauen eine Chance haben, zu bestehen.
An einigen wenigen Stellen empfand ich die Sprache bzw. die transportierten Gedankengänge als zu abrupt wechselnd, so dass ich mich, wirklich gefangen im Text, kurz verloren fühlte und mich erst wieder neu orientieren musste. Auch hätte ich mir den Fokus gegen Ende mehr auf Dshirah denn auf Januão gewünscht.
Mein Fazit:
Insgesamt eine wunderschöne und lehrreiche Geschichte aus einem geheimnisvollen orientalischen Land, die nachdenklich stimmt und eine wundervolle Botschaft hinterlässt. Uneingeschränkt empfehlenswert.