Einfach schreiben – Mit Spaß zurück zur Leichtigkeit

Perfektionismus

Das schwierigste am Schreiben für mich ist, meinen Perfektionismus auszuschalten: Der aktuelle Satz wirkt holperig oder enthält ein Wort, das bereits im letzten vorkam? Sofort ändern! Der Rhythmus im Absatz klingt monoton oder fließt einfach nicht? Da muss ich wohl nochmal ran! Und dieses Wort ist vielleicht auch nicht ganz das richtige, welches trifft den Ton um eine Nuance besser? Erstmal nach dem perfekten Synonym suchen. Jetzt ist der Gesamtkontext irgendwie seltsam? Ok, dann auch das beheben.

Auf diese Weise dauert es natürlich unfassbar lange, bis ich eine Seite fertig habe, mit der ich irgendwie leben kann. Klar, jede*r hat eine eigene Arbeitsweise und ein eigenes Tempo und niemand zwingt mich, so oder so zu arbeiten. Aber ein bisschen effektiver zu sein, wäre irgendwie schon schön …
Oder ist das auch so ein ADHS / Au Ding und ich kann da gar nicht aus meiner Haut? Andere schaffen das aber doch auch! Vielleicht kann ich es lernen … Nur wie?


Schreib einfach! – Aber wie?

In Workshops oder Ratgebern heißt es immer wieder: „Schreib einfach! – Mach Dir keine Gedanken, ändern kannst Du später.“
Und obwohl ich die Richtigkeit dieses Ratschlags klar sehe – anwenden konnte ich ihn bisher trotzdem nie.
Es klingt so simpel und ist doch so unfassbar schwierig.
Wie schreibe ich denn „einfach“? Wie schaffe ich es, nicht darüber nachzudenken und nicht zu bewerten? Wie soll das gehen? Wie soll ich mir die Freude an einem Text erhalten, wenn ich gleichzeitig das Gefühl habe, er ist nicht gut? Wofür mache ich das hier? Kann ich es dann nicht gleich sein lassen?

Auf diese Fragen habe ich in den letzten Jahrzehnten (!) nie eine Antwort gefunden.


Was sich geändert hat

Nachdem die erste Hälfte dieses Jahres für mich von Erfahrungen geprägt war, die Selbstzweifel und Perfektionismus-Zwänge eher begünstigen, habe ich im Sommer entschieden, mich davon nicht runterziehen zu lassen. Ich wollte wieder mehr schreiben, in meinen Rhythmus zurückfinden und mich weniger mit Dingen beschäftigten, die mich in meine Gedankenspiralen zurückwerfen oder komplett blockieren.
Um mich dabei selbst zu unterstützen, habe ich nach Schreibratgebern gesucht, die sich nicht ganz so statisch an irgendwelchen Regeln festklammern, sondern ähnlich wie „Bird by Bird“ von Anne Lamott mehr auf die Lebensumstände schreibender Personen – und insbesondere Frauen – eingehen.

Gelandet bin ich bei „Schreiben in Cafés“ von Natalie Goldberg.
Das Buch hat mich anfangs überhaupt nicht angesprochen. Es ging viel um genau diese Dinge, die ich nicht zu können glaubte oder auch gar nicht tun will: Einfach schreiben, Masse produzieren, egal was. Natalie Goldberg erzählt, dass sie jeden Monat ein Notizbuch voll schreibt, ohne sich dabei Regeln aufzuerlegen, womit sie es füllt oder wann sie wie viel hineinschreibt. Ein komplettes Notizbuch! Für mich, die seit Jahren kaum mehr als den Einkaufszettel mit der Hand geschrieben hat – utopisch!

Doch je weiter ich las, desto häufiger stolperte ich über Themen, die ich nachfühlen konnte: Der komplizierte Umgang mit Worten wie „Disziplin“ oder „Willenskraft“. Die Schwierigkeit mit Lob umzugehen – es entweder anzunehmen und sich dabei so seltsam eingebildet zu fühlen oder im Gegenteil sich selbst bzw. das eigene Tun komplett abzuwerten. Die Schranken, die wir uns selbst auferlegen, wenn wir meinen, nur so oder so arbeiten zu können.

Und weil ich irgendwann an dem Punkt war, an dem ich so oft „Ja!“ zu dem Buch gesagt hatte, beschloss ich, es zu versuchen. Vielleicht nicht ein komplettes Notizbuch in einem Monat zu füllen, aber es vielleicht bis zum Ende der Ferien zu schaffen.


Das Notizbuch

Es ist nicht natürlich nicht mein erstes oder einziges Notizbuch. Ich trage seit Jahren immer eines mit mir herum. Hinein schreibe ich spontane Ideen, Dinge, die ich mir merken will, einzelne Sätze oder Formulierungen, die ich nicht vergessen möchte. Darin landeten aber auch Protokolle der Sitzungen von Autorentreffen, Lesungsplanungen oder Titel von Büchern, die ich lesen wollte. Kurz, es war immer ein buntes Buch für alle Gelegenheiten.

Notizbuch

Für das Projekt „ein Notizbuch bis zum Ende der Ferien füllen“ wollte ich ein neues nutzen, eins dass sich eben ausschließlich mit kreativen Texten oder Gedanken befasst und keine Merkzettel-Funktion mehr erfüllt.

Die ersten Seiten fielen mir schwer. Also fing ich an, über meine Gedanken zu schreiben. Warum mir das gerade so schwer fällt, warum ich mir vorstelle, das sowieso nicht zu durchzuhalten usw. Griff ein paar Fragen auf, die Natalie Goldberg in ihrem Buch stellte, sinnierte über sie und begann nach ein paar Tagen, in denen mir kaum noch etwas einfiel, mit einer weiteren Übung, die sie vorschlug: Gedichte schreiben.


Loslassen

Wer mich kennt weiß – ich bin jetzt nicht der größte Lyrik-Fan. Ich mag Haikus ganz gern, aber natürlich auch nicht alle, und der Gedanke, gezielt Gedichte zu schreiben, kam mir sehr absurd vor.
Natalie Goldberg geht es in ihrem Buch allerdings weniger um „echte Gedichte“, es geht nicht darum, sich hinzusetzen und ein vollkommenes lyrisches Werk mit perfektem Versmaß zu schaffen – im Gegenteil. Es geht darum, loszulassen.

Sie schlägt vor, sich einen willkürlichen Begriff zu nehmen (oder geben zu lassen) und in wenigen Minuten ein paar Zeilen dazu zu schreiben und den Text dann gehen zu lassen.
Gut, in ihrem Beispiel ging es um „Schreiben für den Basar“, also ein Gedicht für ein Wunsch-Wort zu schreiben und es dem Wünschenden dann zu überreichen, so dass es danach wirklich „weg“ ist.
Aber auch im Notizbuch funktioniert diese Übung:

  • wähle einen Begriff (z.B. durch blindes Tippen in ein Buch/Wörterbuch, mit einem online Zufalls-Generator, oder nimm das, worauf dein Blick gerade fällt, oder das Geräusch, das Du gerade hörst, oder was immer Dir sonst einfällt)
  • schreibe in 3 Minuten mindestens 3 Zeilen darüber
  • blättere weiter.

Das Weiterblättern wäre mein Pendant zum „Gedicht weggeben“. Ich verschwende nicht gern Papier, daher habe ich nie weitergeblättert, sondern lediglich einen Strich unter das Gedicht gezogen, um danach das nächste zu schreiben. Aber vielleicht hilft das Umblättern ja jemandem, dem das „Loslassen“ ansonsten schwerfiele.
Jemand ganz Mutiges könnte natürlich auch einfach die Seite aus dem Spiralblock herausreißen. – Allein der Gedanke daran lässt mein Herz rasen! :D

Ideen-Gekritzel

Wilde Kreativität

Es mag verrückt klingen, aber diese Übung hat mir wirklich sehr geholfen. Vielleicht, weil ich in der Regel keine Lyrik schreibe und darum keinerlei Anspruch an das gestellt habe, was ich da gerade tue. Es war, als hätte diese Kleinigkeit, die ich für mich selbst niemals in Betracht gezogen hätte, meine Fesseln gesprengt. Über was für einen Unsinn habe ich geschrieben!
Mein Mineralwasserglas, das Müllauto, das laute Niesen eines Nachbarn, meinen Sitzball, die Blumen im Vorgarten nebenan, Hundeohren, Hundegebell, Hundesabber.

Ein paar Beispiele aus meinem Notizbuch:

Glas
Kleine Perlen
silbern und klar
steigen an die Oberfläche.

Rabe
Dein Ruf, der weckt mich laut am Morgen,
Schwarzer Schatten auf dem Dach.
Was Du sagst, bleibt mir verborgen,
ich bin leider trotzdem wach.

Hundeohr (I)
Bevor ich Dich kannte
wusste ich nicht
was weich-sein bedeutet.

Poetisch? Wohl kaum. Aber definitiv witzig! Ich habe noch immer viel Spaß daran, wenn ich mal wieder eines dieser „Minuten-Dinger“ in mein Heft kritzele. Denn ja – die Notizbuch-Sache läuft weiter. Ich schreibe noch immer – und nicht nur quatschige 3-Zeiler. Zwar nicht jeden Tag, aber regelmäßig.

Schreiben mit Notizbuch

Doch für heute soll das bis hierher genügen.
Möchtet Ihr wissen, wie es weiterging und ob ich das Notizbuch während der Ferien fertigstellen konnte?
Dann schaltet auch beim nächsten Mal … ähm. Also, schaut einfach wieder vorbei, beim nächsten Mal geht es um den Weg zurück zur Prosa. =)


Quellen und Inspiration:
Natalie Goldberg: Schreiben in Cafés, Autorenhaus Verlag, – 6. Aufl., 2019 ISBN 978-3-86671-060-3

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