Manchmal stößt man beim Schreiben auf Hindernisse. Und damit meine ich keine äußeren Einflüsse, sondern mehr … Entscheidungen, die es zu fällen gilt.
Ich bin kein Plotter. Ich habe kein Reißbrett, weder für die Charaktere noch die Geschichte. Es gibt ein paar mehr oder weniger fixe Punkte (und einen gigantischen Berg an Notizen mit Möglichkeiten), in jedem Fall einen Start und ein Ziel, zwischen denen sich die Geschichte entwickeln darf. Mir ist es wichtig, dass sie sich echt anfühlt, nicht nach „hier brauchte ich noch einen Höhepunkt für Akt II“. Also, der sollte schon da sein, aber eben erkennbar gewachsen, logisch und konsequent, nicht „künstlich erzeugt“. Ich schreibe so, wie es sich für mich und die Geschichte richtig anfühlt. Und irgendwann tritt man dann einen Schritt zurück – und findet etwas, das es zu überdenken gilt.
Mich reißen solche Dinge dann ziemlich brutal aus meiner heilen Pantser-Welt. Denken ist nicht Fühlen. Planen ist nicht Fließen. Zack, schon ist das Hindernis da. Meins entpuppt sich gern als Kreisverkehr, durch den ich wieder und wieder hindurchstrudele. Einer der Gründe, weshalb ich meine Testleser*innen so liebe: Mit ihnen kann ich diese Probleme besprechen. Sie reichen mir die Hand und reißen mich aus dem Gedankenstrudel hinaus, damit ich mich nicht für immer darin verliere, sondern weiterschreiben kann.
In FoT verursachte mein Cast einen solchen Gedankenwust. Der ist im ersten Band nämlich recht männlich dominiert. (Wie man da oben sieht – danke, liebe @artbyfrausu für Deine wunderbare Kunst! ♥) Das war nicht wirklich beabsichtigt, bzw. – mir war es überhaupt nicht bewusst. Denn in meinem Kopf rennen da eine ganze Menge wichtige weibliche Charaktere herum, die allerdings am Anfang der Geschichte (noch) nicht viel mit dem Plot zu tun haben. Sie werden erwähnt, sind Teil des alltäglichen Lebens meiner Charaktere, aber nicht als aktiv handelnde Personen vor Ort.
Auch zwei meiner Testleser*innen fanden den Punkt bedenkenswert. Und dabei landete ich wieder und wieder bei der Frage: Diversität oder Authentizität?
Die beiden Begriffe einander gegenüberzustellen, klingt für mich erstmal falsch. Warum sollte Diversität nicht authentisch sein? Oder Authentizität nicht divers? Ganz im Gegenteil! Außerdem ist mir beides wichtig. Doch wenn ich es gewichten müsste, dann läge mein Ball wohl im Feld der Authentizität. Klingt erstmal schräg für eine in der Phantastik schreibende Autorin, aber ich denke, Ihr wisst, was ich meine.
Bisher musste ich mir darüber eher wenig Gedanken machen. Das liegt zum einen daran, dass es für die Charaktere in meinen Kurzgeschichten meist keine Rolle spielte, wie sie aussehen, an was sie glauben oder wen sie lieben. Und wenn es für die Geschichte keine Rolle spielt, wird es auch nicht erwähnt.
Bei einem Roman ist das anders. Die Charaktere stehen im Zentrum der Geschichte. Mit ihnen steht und fällt alles. Sie müssen rund und glaubhaft sein. Das gilt aber auch für die Welt, in der sie leben.
Was macht man also, wenn auf der einen Seite eine weibliche Identifikationsfigur fehlt, die auf der anderen Seite aber nicht wirklich ins Setting passt? Zwanghaft das Setting anpassen? Ich für meinen Teil bin dagegen. Die Brechstange bei den Grundpfeilern anzusetzen, führt in der Regel dazu, dass Risse entstehen, die sich nie vollständig verdecken lassen. Zumindest nicht für mich. Mir fällt es eher unangenehm auf, wenn ich etwas lese, bei dem ich merke „oha, da wurde x oder y aber um der Sache selbst Willen so gehandhabt“. Letztes Beispiel war für mich ein Buch (internationaler Bestseller), in dem einer Heldengruppe noch kurzfristig ein Bogenschütze aufs Auge gedrückt wurde, der ganz plötzlich da war, wie eine Hauptfigur behandelt wurde, genau eine nicht handlungstragende Sache tat und dann sang- und klanglos aus der Geschichte verschwand. Das ist so … unbefriedigend! Natürlich ruiniert es nicht die Geschichte als Ganzes, aber es fällt mir auf. Es fühlt sich unnatürlich an. Und das mag ich nicht. Das möchte ich für mich nicht.
Was also tun?
Ich habe mich entschieden, auf mich und meine Leser*innen zu vertrauen. Ich habe eine der wichtigeren, wiederkehrenden Nebenfiguren in eine Frau umgewandelt und zusätzlich verstärkt auf das Personal bei den Randfiguren geachtet. Der Hauptcast blieb aber unangetastet. In FoT spielt Perspektive eine wichtige Rolle. Ich glaube, die Tatsache, dass der weibliche Teil der Hauptcharaktere überwiegend später auftritt, kann das Gefühl, das ich erreichen will, sogar verstärken. Außerdem ist Diversität ja auch nichts, was allein am Geschlecht der Figuren auszumachen wäre. FoT kann da, denke ich, auf andere Weise punkten. Aber lassen wir das. Ihr wisst, ich stehe nicht so darauf, vorab Details preiszugeben. ^_^
Ursprünglich wollte ich noch das Argument einer meiner Testleser*innen anführen, dass Tolkien sich ja bei seinen Gefährten auch nicht darum geschert hat, dass genügend Frauen im Team sind. Damit hat sie definitiv einen Punkt. Allerdings bin ich weder Tolkien, noch leben wir vor 70 Jahren.
Darum – verratet mir doch mal: Braucht es für Euch beim Lesen immer auch zwingend eine weibliche bzw. männliche Identifikationsfigur?